Werkstattbericht aus Teilprojekt 5: Virtual Reality als digitaler Erinnerungsraum

In der einen Unterrichtsstunde die ägyptischen Pyramiden besuchen, in der nächsten das Kolosseum in Rom nicht nur besichtigen, sondern auf den Rängen Platz nehmen, um einem ‚echten‘ Gladiatorenkampf beizuwohnen – dies und vieles mehr versprechen Virtual Reality Anwendungen möglich zu machen. Doch was bedeutet das für unsere Vorstellungen von Geschichte? Was bleibt von einer Konzeption, die Geschichte als gegenwärtiges Nachdenken über Vergangenes beschreibt, wenn der Blick in virtuelle Umgebungen doch auf eindrückliche Weise zeigt, wie es damals ‚wirklich‘ gewesen ist?

Abbildung 1: Schüler nutzen VR-Brillen

Im Rahmen des Fachkonzeptes Virtual Reality als digitale Erinnerungsräume liegen diese Fragen der Entwicklung der Lehrkräftefortbildungen zugrunde, das als Teilprojekt 5 am Lehrstuhl Didaktik der Geschichte der Universität Augsburg angesiedelt ist. Um herauszufinden, wie Lehrkräfte sie beantworten, wurden in den ersten Monaten der Projektlaufzeit Leitfadeninterviews geführt, in denen fünf Lehrkräfte mit unterschiedlicher Berufserfahrung und Position im System Schule ihre Perspektiven auf Virtual Reality Anwendungen im Allgemeinen und im Hinblick auf deren Nutzen und Risiken für historische Lernprozesse beschrieben haben. Auf dieser Grundlage wurde ein Erhebungsinstrument konstruiert und pilotiert, das in den Fortbildungen einerseits zum Einsatz kommen kann, um deren synchrone Phasen noch genauer auf die Ansprüche der teilnehmenden Lehrkräfte anzupassen. Andererseits stellt es eines der Tools dar, die für die Evaluation der Wirksamkeit der Angebote zum Einsatz kommen werden.

Das Fortbildungskonzept unter dem Titel Geschichte lernen virtuell? Chancen und Herausforderungen des Einsatzes von Virtual Reality im Geschichtsunterricht am Beispiel von VR-Anwendungen zu historischen Orten besteht aus acht Modulen, von denen die Hälfte als Selbstlernmodule angeboten werden, die interessierte Lehrkräfte jederzeit eigenständig bearbeiten können. Dabei setzen sie sich auf Grundlage von Reflexionsaufgaben zum grundsätzlichen Umgang mit Digitalität im eigenen Unterricht, für die das Frankfurt-Dreieck zur Bildung in der digital vernetzten Welt die Grundlage bildet, sowohl aus medien- als auch aus geschichtsdidaktischer Perspektive mit der Frage auseinander, wie historische Inhalte in virtuelle Umgebungen gelangen. Denn schlussendlich ist ein Verständnis davon, wie Virtual Reality funktioniert, wie verschiedene Endgeräte und Anwendungen verschiedene Grade von Immersion erzeugen, eine unerlässliche Voraussetzung, um sich VR Anwendungen mit historischem Inhalt mit einer analytischen Grundhaltung nähern zu können, die das Angebot der Präsenz, des völligen Abtauchens in eine virtuelle Umgebung, zu dekonstruieren vermag.

Erprobt wird dieser analytische Zugriff in den Selbstlernmodulen, in denen die Teilnehmenden immer wieder anhand von curricular verankerten Beispielen Teilaspekte des Einsatzes von Virtual Reality Anwendungen planen und reflektieren können. In den vier synchronen Modulen, deren Ausgestaltung aktuell abgeschlossen wird, steht dann das Ausprobieren, Konkretisieren und Diskutieren im Vordergrund. Indem die Teilnehmenden Virtual Reality Anwendungen auf verschiedenen Endgeräten und in verschiedenen Kontexten auf ihre Tauglichkeit für den eigenen Unterricht testen können, setzen sie sich zugleich produktiv mit ihren Perspektiven auf VR und ihren Überzeugungen zu den Kerneigenschaften von Geschichte auseinander. Erprobt wurde das Fortbildungsangebot bislang sowohl mit Studierenden und Lehramtsanwärter*innen als auch mit einzelnen Lehrkräften. In deren Rückmeldungen stand zumeist ein doppelter Erkenntnisgewinn im Vordergrund: Zum einen beschreiben sie die Faszination, die von virtuellen Umgebungen ausgehen kann, in denen historische Inhalte geradezu lebendig präsentiert werden. Zum anderen haben viele Teilnehmende für sich festgestellt, dass der analytische Zugriff auf ebendiese Faszination und ihre Ursachen zusammen mit den Fragen danach, warum Dinge im Virtuellen so dargestellt werden, wie sie es eben werden, woher die Informationen dafür stammen usw., historisches Lernen um wertvolle Dimensionen bereichern können.

Inwiefern sich diese Einsicht in der weiteren Durchführung der Fortbildung wiederfindet und inwiefern sie sich auf die beschriebenen Perspektiven und Überzeugungen der teilnehmenden Lehrkräfte auswirkt, wird einer der zentralen Punkte der weiteren Arbeit im Teilprojekt sein.

Abbildung 2: Modulübersicht der Fortbildung „Geschichte lernen virtuell?“
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