Werkstattbericht aus Teilprojekt 6: Digitale Sammlungen und Quellenkritik

Im Teilprojekt 6 „Digitale Sammlungen und Quellenkritik“, welches wir als Professur für Geschichtsdidaktik der Friedrich-Schiller-Universität gestalten, steht das Fachkonzept Referentialität im Fokus der geplanten Lehrkräftefortbildungen. Dieses Konzept, das der Medienwissenschaftler Felix Stalder geprägt hat, wird von uns auf die spezifischen Anforderungen des Fachs Geschichte im digitalen Raum übertragen und soll sowohl Lehrkräfte als auch Schüler:innen dabei unterstützen, souverän mit digitalen Medien im Geschichtsunterricht umzugehen.1

Im Kern des Konzepts geht es darum, die Plausibilität historischer Deutungen im Internet einschätzen zu können, indem überprüft wird, auf welche historischen Quellen und Darstellungen sich diese berufen, um ihre Argumentationen empirisch abzusichern. In Bezug auf diesen Untersuchungspunkt bestehen jedoch häufig Leerstellen bei den Angeboten, da die Verwendung von historischen Quellen lediglich einen illustrativen Charakter aufweist, ohne in die eigene Argumentation eingebaut zu werden, oder der Bezug auf Quellen unter Umständen gar nicht ausgewiesen wird. In solchen Fällen besteht das Potenzial, selbst auf digitalisierte historische Quellen im Internet zuzugreifen und angebotene historische Deutungen quellenkritisch zu hinterfragen. Das Ziel unseres Fortbildungsangebots besteht folglich darin, Lehrkräfte für den Quellenbezug im digitalen Raum zu sensibilisieren.

Die Fortbildungsmodule wurden so konzipiert, dass das Fachkonzept Referentialität stufenweise angewendet und reflektiert wird. So sind die Fortbildungsteilnehmer:innen im ersten Modul dazu aufgerufen, den Einsatz digitaler Medien in ihrem eigenen Geschichtsunterricht zu reflektieren sowie wahrgenommene Probleme zu benennen, bevor sie in das Fachkonzept eingeführt werden. Im anschließenden zweiten Modulkomplex werden digitalisierte Quellensammlungen in den Blick genommen, wobei die fachlichen Herausforderungen sowie die unterrichtlichen Potenziale zur Disposition gestellt werden. Auf diese Quellensammlungen kann im dritten Modulkomplex zurückgegriffen werden, wenn es darum geht, historische Darstellungen im digitalen Raum quellenkritisch zu analysieren und einzuordnen. Der darauffolgende vierte Modulkomplex erhebt den Anspruch, die Teilnehmenden aus einer rein rezeptiv-analytischen Sicht auf digitale Medien zu lösen und produktive Perspektiven zu eröffnen, indem aufgezeigt wird, wie sowohl eigene historische Deutungen als auch eigens angelegte historische Quellensammlungen im Internet in Hinblick auf das Fachkonzept Referentialität realisiert werden können. Im abschließenden fünften Modul soll anhand des Bildungsportals evaschiffmann.de und der dazugehörigen digitalen Edition aufgezeigt werden, wie Referentialität in einer historischen Darstellung unmittelbar sichtbar gemacht werden kann und wie mithilfe von quellenorientierten Lernmedien historische Deutungsangebote im digitalen Raum kritisch eingeordnet werden können.

Aus struktureller Perspektive sind die einzelnen Fortbildungsmodule so aufgebaut, dass zunächst eine Online-Selbsterarbeitungsphase auf der Plattform Moodle stattfindet, in der Lehrkräfte einen theoretischen Input mithilfe von beispielorientierten Erarbeitungsaufgaben und Lernvideos erhalten. Hierbei besteht die Möglichkeit den eigenen Lernfortschritt anhand von Quiz zu überprüfen. Des Weiteren werden sie dazu angehalten, eigene Lernmaterialien zu erstellen, aber auch bereitgestellte Lernmaterialien zu analysieren und zu reflektieren.

Der Einsatz der bereitgestellten Unterrichtsmaterialien wurde von uns exemplarisch anhand eines Unterrichtskonzepts in einer Thüringer Schuler erprobt, sodass die unterrichtliche Umsetzbarkeit empirisch abgesichert werden kann. In der nachfolgenden synchronen Phase sollen die erarbeiteten Inhalte noch einmal ausgewertet werden, bevor die Teilnehmer:innen ihre eigenen Materialien vorstellen und sich gegenseitig Feedback hinsichtlich der fachlichen Korrektheit und der unterrichtlichen Umsetzbarkeit geben. Bei der Planung der Fortbildungsstruktur wurde anknüpfend an den Forschungsstand zu wirksamen Lehrkräftefortbildungen darauf geachtet, dass ein hoher Bezug zur Unterrichtspraxis der Teilnehmer:innen hergestellt werden kann.2 Vor dem Hintergrund dieses Anspruchs wurden im Januar Workshops mit vier Lehrkräften aus Realschulen und Gymnasien in Thüringen durchgeführt, in denen die Fortbildungsinhalte sowie die strukturelle Gestaltung der Fortbildung kokonstruktiv geplant und anschließend erprobt wurden. Hierbei lieferten sie Perspektiven für das Projekt, indem sie in einem wechselseitigen Prozess die Fortbildungsinhalte mit eigenen Lehrerfahrungen abglichen. Die Lehrkräfte berichteten im Anschluss an diese Workshops, dass sie in vielerlei Hinsicht Praxisbezüge wahrnehmen konnten und planen, die Fortbildungsinhalte in die eigene Unterrichtspraxis zu implementieren.

Im Rahmen der Begleitforschung für dieses Projekt soll nun untersucht werden, wie Lehrkräfte mit historischen Quellen und digitalen Medien im Geschichtsunterricht umgehen und welchen Einfluss die Fortbildungsmaßnahme auf diesen Umgang hat. Hierfür ist die Durchführung von Interviews mit den Fortbildungsteilnehmer:innen sowohl vor als nach der Intervention vorgesehen.

  1. Vgl. Felix Stalder/Claudia Kuttner: Schule in der Kultur der Digitalität – Schule als Reflexionsraum. Im Gespräch mit Felix Stalder. In: Claudia Kuttner/Stephan Münte-Goussar (Hrsg.): Praxistheoretische Perspektiven auf Schule in der Kultur der Digitalität. Wiesbaden 2022, S. 7.
    ↩︎
  2. André Meyer/Marc Kleinknecht/Dirk Richter: What makes online professional development effective? The effect of quality characteristics on teachers’ satisfaction and changes in their professional practices. In: Computers & Education 200 (2023), S. 3 ↩︎
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